Die erste Wasserversorgung von Ludwigsburg

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Als vor 250 Jahren die Stadt Ludwigsburg entstand, war die Wasserversorgung ein großes Problem. Der Gründer der Stadt, Herzog Eberhard I Ludwig, kümmerte sich persönlich um den Bau einer Wasserleitung. Möglingen mit seinen vielen Quellen sollte der Wasserspender Ludwigsburgs werden.

 

Es steht eine Mühle im Leudelsbachtal

 in Möglingen an der Asperger Straße. Sie ist schon Anno 1523 in einem Lagerbuch des Stuttgarter Staatsarchivs erwähnt; der damalige Besitzer war Conrad Müller. Getrieben wurde die Mühle vom heute verdolten Leudelsbach, der einst seinen Ursprung in der Wette unterhalb des Möglinger Pfarrhauses hatte, wo mehrere starke Quellen aus dem Boden sprudelten. Nach kurzem Lauf durch den Ort mündeten der Furtbach, der Hanfbach und der Sonnenbrunnen in den Leudelsbach, der dann so stark war, dass er das Wasserrad der Möglinger Mühle treiben konnte.

 

Der Fürstliche Baumeister Johann Leonhard Frey fasste den kühnen Plan, von der Möglinger Mühle an bis zum Marktbrunnen in Ludwigsburg eine Wasserleitung legen zu lassen.

 

Mancherlei technische Probleme waren zu lösen.

Die Mühle lag wesentlich tiefer als Ludwigsburg, und bekanntlich läuft das Wasser nicht von selbst bergauf. Deshalb musste das sogenannte "Möglinger Wasserwerckh" errichtet werden, dessen Kosten Frey auf 3936 Gulden veranschlagte. Frisoni konnte diesen Betrag auf 3670 Gulden senken. Dennoch erhielten fast alle Leute, die am Bau des Möglinger Wasserwerks und an der Ludwigsburger Wasserleitung beteiligt waren, ihren Lohn nicht, denn die Kassen des Herzogs waren meist leer.

 

Als Wasserleitungsrohre verwendete man durchbohrte Baumstämme, sogenannte" Teichel". Für das herrschaftliche Brunnenwerk musste 1718 der Faktor von Enzklösterle aus den herzoglichen Wäldern 300 Forchenstämme liefern, jeder 50 Schuh lang und 15-16 Zoll dick. Schon früher waren 250 Stämme bestellt worden. Zunächst kamen also 550 Stück zur Verwendung.

 

Nach Länge und Stärke ausgewählte forchene Baumstämme wurden entweder der Länge nach durchbohrt oder, was wahrscheinlicher sein dürfte, der Länge nach gespalten, in beiden Hälften eine Rinne ausgestemmt - wie sich die älteren Leute noch Dachrinnen aus Holz denken können - beide Hälften verharzt, sorgfältig zusammengefügt und in den Boden verlegt, dicke Teile an dicke Teile und die dünneren Teile an dünne Teile gestoßen. Die harzreichen forchenen Stämme eigneten sich als Wasserrohre" TeicheI" genannt, für damalige Wasserleitungen am besten. Die Stämme wurden auf der Enz von Enzklösterle bis nach Bissingen geflößt und von dort aus auf Wagen an die Baustelle Ludwigsburg - Möglingen geführt.

 

Am 1. Juli 1729 erließ der Herzog an den Markgröninger Vogt Christoph Ulrich Andler den Befehl: "Von dem Hagelwörth (Hagenschieß?) wurden zu den Möglinger Bronnenwiesen Teumel geführt. Es werden noch 114 weitere Teuchelstämm gebraucht. In Gröningen lagern noch 17 Teuchelstämm. Diese sollen ohne einigen Anstand negst kommende Woche ohnfehlbar vollkommen vollends beygeführt werden, damit diese fehlende in dem Bronnengeschäft kein weiterer Aufenthalt gemacht werde." Unter den oben genannten "Bronnenwiesen" sind vermutlich die Wiesen zu verstehen, die südwestlich der beiden Straßenkurven Möglingen-Markgröningen liegen. Das Quellwasser dieser wasserreichen Wiesen wurde von dort mit natürlichem Gefälle durch hölzerne Teichel in die bei der Möglinger Mühle errichtete, aus gewöhnlichen Mauersteinen rund gemauerte und oben gewölbte "Brunnenstube" geleitet (Im Jahr 1965 hat man im Hof des Paul Häcker, als man eine Jauchegrube baute. diese Brunnenstube ausgebaggert - damals konnte sich noch niemand diese Anlage erklären).

 

Baumeister Frey ließ unweit der Mühle auf dem Wollenberg einen kleinen "Turm" bauen, in welchen das Quellwasser der Brunnenstube mittels einer "Maschine" (Druckpumpe), die durch das Wasserrad angetrieben wurde, hochgepumpt wurde. Zwei hölzerne "Kolbenstangen" waren am Wasserrad befestigt; sie bewegten die beiden "Kolben" abwechselnd hin und zurück in zwei "mößernen Stiefeln" (Maschinenteile aus Messing, die Zylinder der Pumpe).

 

Von der Brunnenstube bis zum Wasserturm wurden des starken Drucks wegen 4 1/2 Schuh lange "eyßerne Bronnenteuchel" gelegt, die in Königsbronn von den Schmelzern Mühlberger und Montigel gegossen worden, aber vielfach unbrauchbar waren (Diese gusseisernen Röhren gingen wahrscheinlich auf dem Transport zum Teil  durch unsachgemäße Behandlung entzwei, weil damals die leichte Zerbrechlichkeit des Gusseisens noch nicht allgemein bekannt war).

 

Der Ludwigsburger Marktbrunnen spendet Wasser!

 

Am 6. Dezember 1730 erließ der Herzog folgende Resolution: "Die durch Wiesen der Gröninger und durch Äcker der Möglinger geführte Brunnenleitung der Stadt Ludwigsburg wird unter den ausdrücklichen Schutz des Oberamts und die Verantwortlichkeit der Gemeinden Gröningen und Möglingen gestellt."

 

Auf Kosten zweier Existenzen !

 

Caspar Siglin war als Müller auf der Mühle in Möglingen (seine Ehefrau Ursula hat in Möglingen am 30. 11. 1726 eine Tochter Christina Barbara geboren). Die Kraft des Leudelsbachs und des oberschlächtigen Wasserrads der Möglinger Mühle war nicht so groß, um das Möglinger Wasserwerk und gleichzeitig die bisherige Mahlmühle zu betreiben. Deshalb musste die Mühle auf herzoglichen Befehl stillgelegt werden. Schon am 30. September 1727 wurde die Mühle offiziell "ausgelöst". Der Herzog bot Siglin die Papiermühle in Berg bei Stuttgart an und versprach, ihm diese zu einer Mahlmühle umbauen zu lassen. Müller Siglin musste am 18. August 1732 mit seiner Familie die Mühle verlassen, obwohl er bat, so lange wohnen bleiben zu dürfen, bis ihm eine gerechte Entschädigung entrichtet werde. Den versprochenen Umbau musste er selbst bezahlen. Deswegen versetzte und verkaufte er viele Güter in Möglingen. Obwohl ihm die Regierung ein lebenslängliches Recht auf die Berger Mühle zugesagt hatte, musste er bald weichen. Vielleicht waren ihm die Schulden über den Kopf gewachsen. Caspar Siglin zog dann auf die Mühle in Kornwestheim, auf der schon 1719 ein Ezechiel Sigle saß - vermutlich sein Vater. Von Kornwestheim aus machte er noch 1755 einen Schadenersatzanspruch an die Regierung, wurde jedoch mit der Begründung zurückgewiesen, man habe schon im Jahre 1732 mit ihm abgerechnet, was er durch seine Unterschrift bezeugt habe.

Der einstige Papiermacher Tobias Schmad musste nach Aufarbeitung seiner Rohstoffvorräte 1732 mit Frau und Kindern die Papiermühle in Berg verlassen, fand als Geselle in der Markgräflich Badisch-Durlachischen Papiermühle in Niefern Arbeit, wo der unglückliche Mann im Dezember 1734 an einer Kopfkrankheit starb. Auch er ist von dem württembergischen Herzog nie entschädigt worden.

 

Baumeister Frey klagte am 28. August 1732, "die nöthigen Gelder und erforderlichen Materialien seyen ihm nicht angeschafft worden." Am 12. Oktober 1732 reklamierte er, dass "bei der Möglinger Wassermaschine für eine etwaige Reparatur nicht das geringste Holzwerckh vorräthig, man solle eine Aiche und eine Hagenbuche nach Möglingen schaffen lassen." Im Februar 1733 lieferte dann der Leonberger Forstmeister 3 Hagenbuchenstämme.  - Im Jahr 1734 ist Baumeister Frey gestorben; an seine Stelle trat Baumeister Weysinger.

 

Versuchte Unterschlagung?

 

An den Vogt zu Bottwar Johann Philipp Bayer: Lieber Getreuer! Wir befehlen dir hiermit, so gnädigst als ernstlich, du sollest diejenige 50 Gulden, welche wir unserer Bau-Verwalthung zu Ludwjgsburg unterm 16. Februar h. a. zum Zweck des Brunnenwerks daselbst dir gnädigst zur Übermittlung übergeben haben, ohne weiteren Aufenthalt an den Exped.-Rath Bauverwalter Faber zu Ludwigsburg einliefern und dich deswegen nicht mehr monieren lassen. Daran beschiehet unsere Meinung.

Stuttgart, 22. Marty 1736 Hopfenstock Hochstetter

 

Wo blieben die längst fälligen Löhne?

 

Am 17. Juni 1739 beanspruchten die Erben des Anno 1734 verstorbenen Baumeisters Frey (Hegel, Rath und Stadtvogt zu Ludwigsburg) noch ein Guthaben von 1721 Gulden 26 Kreuzer und 3 Heller. Offenbar war Frey in Ungnade gefallen, denn diese Forderung wurde kurzerhand rückwirkend auf Georgy 1734 "liquidiert". Die Rückzahlung eines Vorschusses von 600 Gulden, den Frey schon 1729 erhalten hatte, verweigerten jedoch die Erben Hegel.

 

Ludwigsburg, 5. July 1735:

Hanß Jerg Göhring, Zimmermann, und 11 Taglöhner aus Ludwigsburg, Pflugfelden, Möglingen, Sachsenheim und Münchingen, auch Fuhrleuth des Möglinger Bronnenwesens haben noch 250 Gulden anzusprechen.

Stadtvogt Glaser, Exped.-Rath Katzendorff

 

20. April 1741:

"Michel Zeyh, Bürger zu Pflugfelden und Johannes Gößelins Witib bitten underthänigst, nach so langem Anstand, wegen des Wasserbaues und Brunnenwerckhs zu Möglingen schuldigen Taglohns gnädigst bezahlen zu lassen. "

 

15. Sept. 1741:

Der Brunnenmeister auf dem Möglinger Brunnenwerk Hanß Jerg Göhring, jetzt in Karlsruhe, bat um seinen rückständigen Verdienst und Taglohn mit 33 Gulden 40 Kreuzern nach so langem Anstand gnädigst verabfolgen zu lassen (er war von Gnädigster Herrschaft als Brunnenmeister auf- und angenommen worden; siehe auch 5. July 1735). Er ging nach Karlsruhe, um ein Stück Brod zu suchen, allergrößte Noth und Armuth habe ihn dahin getrieben. Er bat wenigstens um die Hälfte seines Lohnes, damit er den Hunger von Weib und Kinder stillen könne.

 

Am 10. May 1741 berichtete die Fürstliche Renthkammer, daß sämtliche Akten über das Möglinger Brunnenwerk und die Lohnmahnungen über den Wasserleitungsbau "gleich anfangs bey der Registratur entweder verlohren" oder "verlegt worden".

 

Erweiterungspläne

 

Offenbar hat das über das Wasserwerk Möglingen zum Marktbrunnen Ludwigsburg geleitete

Wasser nicht mehr ausgereicht, denn am 25. 8 1738 wurde beabsichtigt, es sollten im Schaafhof,

am See und Lerchenholz etliche Quellen frischen Wassers gefaßt und zum Marktbrunnen geführet

werden.

 

Jähes Ende

 

Am 20. Oktober 1738 berichtete Baumeister Weysinger, daß beim Abbruch der Möglinger Wassermaschine etliche hundert eiserne Teichel und 2 große mößene Stiefel (Zylinder der Pumpe aus Messing) übrig geblieben seien, die der Schultheiß Hans Jakob Motz von Möglingen eigenmächtig an sich genommen habe. (Der Grund des plötzlichen Versagens der Maschine ist nicht berichtet).

 

Fachmännische Untersuchung des Wasserwerks

 

Der Architekt Schwegler erhielt von der Fürstlichen Renthkammer den Auftrag, das Möglinger Wasserwerk zu untersuchen und darüber ein Gutachten einzureichen. Schwegler berichtete  am 1. Dezember 1738: "Die so kostbaren Stiefel und eyßerne Teichel hat die Stadt Ludwigsburg an sich gezogen und in Verwahrung genommen. Die Maschine braucht zur Unterhaltung jährlich 500 Gulden, indem sie eine besondere Person erfordert, die das Werk bedient und beständig Reparaturen und Verbrauch an Materialien erforderlich

sind. Auch ist der Caliber der eyßernen Teichel zu weith. Es stehet auch noch unweith dieser Mühle ein kleiner Thurm auf der Höhe, worauf das Wasser hat sollen getrieben, und von da aus wiederum herunter, und auf Ludwigsburg geführet worden (ein kleines Gebiet, - heute Bauplätze auf dem Löscher - etwa 100 Meter westlich der Möglinger Katholischen Kirche, hat den Flurnamen "Beim Wasserturm").

 

 

Aber der "freye Frey" wollte mehreres Wasser den Berg hinauftreiben, als Ihm auf das Wasserrad gefallen, wie ich solches auch schon Anno 1732 nach eingenommenem Augenschein mit vielen Vorstellungen darlegte, wie ex Actis zu ersehen, der Frey aber diese puncte alle mit falschen Gründen großsprecherisch widerlegte, die er mir doch tatsächlich alle eingestehen muss. Was ich damal propheceyte ist mehrentheils geschehen und das andere noch geschehen wird. Frey sey auch viel außwärts gewesen und habe sich wenig um seine Arbeit gekümmert. Von Ludwigsburg aus bin ich der Teichellaage nach geritten und gefunden, dass alle Teichel, sowohlen hölzerne als eyßerne von dem Osterholzwald an bis zur Möglinger Mühle ausgegraben und dem Vernehmen nach die noch brauchbaren hölzernen in den Thier- und Fasanengarten sollen gebracht, die unbrauchbaren aber seyen auf einen anderen Orth verschleppt worden (war dies Selbstjustiz oder nächtliche Rache der Taglöhner und Fuhrleute, weil sie für ihre harte Arbeit nicht entlohnt wurden?)

Was aber die Möglinger Mühle, darinnen die unbrauchbare Maschine eingeleget ist, belange, wurde die Mühle dem Müller Hirth am 22. Oktober h. a. kauffweiß übergeben. So soll sie wirklich zu einer Mahlmühle wiederum angelegt werden. Jedoch dürften dem Müller zu völliger Verfertigung ungefähr noch 50 Gulden fehlen, solche vollends gangbar zu machen, scheint aber, dass er, solche der Zeit nicht wisse aufzutreiben, sie aber zu seinem eigenen Schaden nicht so lange still liegen lassen kann.

 Alles Ewer Hochfürstlicher Gnädigster Hohen, genehmen Haltung überlassent  mich aber zu beharrlichen Gnaden empfehlent

Unthanigst verpflicht.

Gehorsamster Herzogl. Archit. Schwegler.

 

Es wurde beschlossen, die Wasserleitung und die Wassermaschine völlig abgehen zu lassen.

 

 

Wer ist rechtmäßiger Eigentümer?

 

Im Dezember 1741 kam es zu einem Streit zwischen dem Magistrath der Stadt Ludwigsburg und der Fürstlichen Renthkammer über die Eigentumsverhältnisse. Die Herren der Fürstlichen Renthkammer erklärten, "Herzog Eberhard Ludovicus habe noch zu seinen Lebzeiten das gantze Bronnenwerckh mit sämtlichen Zugehören der Stadt Ludwigsburg geschenkt."

 

Die Stadt Ludwigsburg nahm wohl oder übel dieses Kuckucksei an. Die vorsichtigen Stadtväter ließen jedoch am 12. Dezember 1741 m den abschließenden Handel den Zusatz aufnehmen: "Die darauf lastende Schulden sind, biß anhero nicht abgestoßen, welche von Fürstlicher Renthkammer zu bezahlen stehen."

 

Die Schulden der ersten Ludwigsburger Wasserversorgungsanlage hat aber die Fürstliche Renthkammer bis heute noch nicht bezahlt.

 

Quellen:

Ludwigsburger Staatsarchiv A 208, Nr. 2142 und 2148; - A 249, Nr. 1448 und 1676. -

Lore Sporhan-Krempel: Wasser für Ludwigsburg. In: Schwäbische Heimat, August 1958, Seite 148.

Bruno Hahnemann: Stadt und Schloß Ludwigsburg, 1968, Seite 28.

 

Albert Kleemann                                                [zurück zur Möglinger Mühle]    [nach oben]

 

(veröffentlicht in Beilage zur Ludwigsburger Kreiszeitung am 24.12.1968 )