die Geschichte der Möglinger Templer in Palästina
veröffentlicht in den Möglinger Nachrichten (leider haben wir dort nur eine begrenzte Anzahl von Zeichen zur Verfügung, so dass wir nur in Abschnitten veröffentlichen können.)
Teil 1 am 06.05.2021:
Vor einigen Wochen haben wir an dieser Stelle unseren
Lesern die interessanten Erlebnisse von
Friedrich Künstner ( 1887-1977), aus der Zeit vor und
während des Ersten Weltkrieges die, in bis nach Palästina führten, präsentiert,
die kurz vor seinen Tod in den MN
erschienen sind. Er trifft 1917 als
württ. Soldat in der Zeit des osmanischen Reiches in Kleinasien auf
einem Verladebahnhof zufällig auf einen ihm unbekannten anderen Möglinger, der
sich als Karl Knoll aus Palästina vorstellt. Karl Knoll (
1876- 1956) hatte (nach der Erinnerung von F. Künstner) schon als
einjähriges Kind mit Eltern und Großeltern Möglingen verlassen, die aus
Glaubensgründen nach Palästina ausgewandert sind, aber er hat Möglingen immer
als seine eigentliche Heimat betrachtet. 1977 also nach 60 Jahren nach den
Zusammentreffen hat Friedrich Künstner folgend auf seinen MN Artikel von Frau Helene Kübler geb. Knoll,
der Tochter von Karl Knoll, die damals schon 26 Jahre in Australien lebte, einen Brief und damit einen „ Update“ erhalten. Dem HVM ist dieser etwas mysteriöse Karl
Knoll wohl bekannt, weil wir seit Jahren die Lebensschicksale von Möglinger
Auswanderern und deren Nachkommen erforschen, ein Kapitel zu dem auch im
Heimatbuch wenig aufzufinden ist. Möglingen war vor 150 Jahren ein Hotspot der
Templerbewegung, die aus Glaubensgründen ins osmanische Palästina ins Heilige
Land auswandern wollten um dort Kolonien zu gründen. Über die Geschichte der
Möglinger Templer bis um 1933/38 hat Pfarrer Rentschler mehrere lesenswerte
Artikel ( auch auf unserer Homepage http://www.heimatverein-moeglingen.de „Über die Geschichte der
württembergischen Templer“ und
mehr ) geschrieben, über die Zeit danach
forscht der HVM. Dabei trifft es sich gut, dass der HVM Schriftführer Rolf
Reichert schon vor mehr als 60 Jahren durch die Freundschaft seiner Eltern mit
Familie Ziegler in Ludwigsburg und deren nahen Verwandtschaft mit der Familie
Knoll aus Sarona viele Personen unter den „Palästinern“
persönlich kennenlernen durfte und als 8 jähriger Bub seine erste
Eisenbahnreise allein nach Hengstfeld
auf den Bauernhof von Karl Knoll, zu Schwiegersohn und Enkelin unternahm
und dort eine Woche Ferien auf dem Bauernhof mit Erzählungen zu Sarona erleben
konnte.
Teil 2
Aufgrund der positiven Resonanz der MN Leser zu dem
Künstner Artikel wollen wir über interessante Funde und Geschichten zu den
Templern berichten. Am besten wir fangen bei jenem Karl Knoll an. Sein
Ururgroßvater Johann Gottlieb K. war 1780 mit Familie von Walheim nach
Möglingen gezogen. Sein Großvater Jakob Friedrich K. (1805 – 1878 Sarona) war
Schuhmacher und seit August 1861 einer der 12 Ältesten des Gründers der
Tempelgesellschaft Christoph Hoffmann und befugt Kinder zu taufen (damals wohnhaft
in der heutigen Münchinger Str.26). Wer sind die Templer und warum wollten sie
ins Gelobte Land? Die Tempelgesellschaft
ist entstanden um 1850 als Reaktion auf Reformbewegungen der
Evangelischen Kirche Württembergs, welche diese vehement ablehnten , sie ist
nicht zu verwechseln mit dem Templerorden der Kreuzfahrer des 13. Jahrhunderts. Der Gründer Christoph
Hoffmann war der jüngste Sohn von Gottlieb Wilhelm Hoffmann, dem Gründer und Vorsteher der Korntaler Pietisten Gemeinschaft. Christoph
Hoffmann löste sich theologisch von der lutherischen Kirche, übersiedelte ins
Heilige Land und gründete dort Kolonien, mit dem Ziel einen neuen Jerusalemer zu errichten. Dort in Jerusalem
war seiner Ansicht nach am ehesten der Ort, wo sich eine Gemeinschaft im
urchristlichen Sinn, frei von den verderblichen Einflüssen der Zivilisation,
entfalten und die Urzelle einer auf den wahren Gottesglauben gegründeten ,
geläuterten neuen Welt bilden konnte. Nach Pfarrer Rentschler (1933) hatte
Möglingen 1861 seinen eigenen Tempelgeistlichen erhalten und war so zu einem
bedeutenden Stützpunkt der ganzen Bewegung geworden. 44 Gemeindemitglieder
waren bis 1868 aus der evang. Landeskirche und in die
Tempelgesellschaft übergetreten. Schon
1848 hatte Jakob Friedrich Knoll, als Haupt der Möglinger Pietisten, Christoph
Hoffmann den späteren Gründer der Tempelgesellschaft gedrängt für
die Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt zu kandidieren, mit
Erfolg.
Teil 3
1873 (also noch vor der Geburt von Karl Knoll !!) zog der
Möglinger Gemeinde-Vorsteher Jakob Friedrich Knoll mit Ehefrau Anna Katharina
K. geb. Rossnagel (1802- 1874 Sarona) und mit
Sohn Johann Jakob Knoll (1841-1895,
Sarona) und damit (Vater von Karl K.) und dessen Ehefrau Rosine geb. Schüle (1845-1903,
Sarona) sowie mit 2 Tanten von Karl K. ,
Maria Magdalena (1832-1887) und Maria Friederike (1843-1910, Jaffa) über Wien und Triest mit dem Postschiff nach
Jaffa (heute Stadtteil von Tel Aviv/Israel). 3 weitere Tanten waren 1873 schon verheiratet,
Christiana Barbara (1859), Margarete (1868) und Johanna (1871) und blieben in Württemberg. Sie und ihre
Kinder wurden für die Palästiner, wie sie genannt
wurden zu wichtigem Bezugspunkt und immer wieder zur Anlaufstelle in der alten
Heimat.
In Palästina war die Anlaufstelle für die Knolls die
Möglinger Familie Pflugfelder in Sarona, die schon 1871 ausgewandert
waren, Magdalene Christine Pflugfelder
geb. Roßnagel ( 1.3.1841-22.7.1913) war die Nichte von
Anna Katharina Knoll. Die Knolls erwarben das Grundstück gegenüber von Familie
Pflugfelder. Gottfried Pflugfelder hatte 1871 das Los für den Erwerb von Grundstücken in der
neugegründeten Kolonie Sarona (heute ein Stadtteil von Tel Aviv) gezogen. Jakob Friedrich Knoll wurde auch in Sarona noch
Gemeinde-Ältester bis zu seinem Tod
1878. Der Tempelvorsteher Christoph Hoffmann selbst ehrte Knoll mit
einem Nachruf : „Er war
unter der unscheinbaren Außenseite eines schwäbischen Dorfbewohners und
schlichten Handwerkers, ohne andere Bildung, als die ihm das Forschen nach Wahrheit
und das Festhalten der erkannten Wahrheit gegeben hatte, ein wahrhaft
priesterlicher Mann. Wenn die Bildung und Organisation der Tempelgesellschaft
keine weitere Frucht getragen hätte, als dass einigen solchen Männern die
Gelegenheit zur Entwicklung und Anwendung ihre Geistesgaben verschaffte, so
wäre das der Mühe wert gewesen“. Die Anfangszeit der auf Landwirtschaft
angelegten Kolonie Sarona war wegen
weitverbreiteter Malaria mit hoher
Sterblichkeit verbunden (eine jüngere Schwester Sophie starb jünger als mit 2
Jahren) und mutmaßlich auch die Großeltern an der Malaria. Ackerbau und
Milchwirtschaft waren mühsam aufzubauen aufgrund des sandigen Bodens und
Viehkrankheiten. Karl Knoll hatte noch 3 weitere Geschwister, den späteren
Lehrer Immanuel Jacob K. ( 1881-1947 Wilhelma/
Palästina), Pauline (1883-1973 Bayswater,
Australien), die 1908 Gottlieb Glenk heiratete und
Sophie Karoline K. (1885- 1977 Ludwigsburg), die 1921 in Murrhardt Karl Wahl
heiratete.
Karl Knoll wollte nach dem Tod des Vaters (1895) nicht in
die Fußstapfen seines Vaters treten und
in der Existenz eines kleinen Milchbauern eines Hofes verharren, auf dem Hof
den er zusammen mit Schwester Pauline bewirtschaftete. Daran änderte auch der
Orangenanbau nichts (die Templer hatten
erfolgreich Orangenbäume veredelt und die Exportmarke Jaffa-Orangen geschaffen) wobei Knoll & Co. eigene
Orangenplantagen bewirtschafteten. Ein Grund war auch, dass die Templer die in
Württemberg übliche Realteilung anwandten und Karl hohe Pachtzahlungen an
seinen Bruder Immanuel Knoll und seine Tante zu leisten hatte. Er suchte nach
Alternativen und 1909 (1903 hatte er Lydia Sawitzky ( 1883-1954) geheiratet) zog er mit junger Familie nach
Deutsch-Ostafrika (heute Tansania) zum Mt Meru / Arusha, wo sie als erste
Deutsche und damit als Pioniere eine Kaffeefarm aufbauten. Durch den Suezkanal
war Tanganyika wie Deutsch – Ostafrika/ Tansania
damals hieß, von Palästina gut
erreichbar. Karl Knoll war der Kopf einer Gruppe die dorthin auswandern wollte
und dazu auserkoren die Möglichkeiten vor Ort zu erkunden. Dafür hatte er 1000
Mark von der Deutschen Siedlungskommission erhalten und eine 50 % Reisekosten-Ermäßigung auf der
Deutschen Ostafrikalinie erreicht, die es ihm ermöglichten in Port Said das
Dampfschiff Feldmarschall zu besteigen und am 2. August 1907 nach 18 Tagen im Hafen von Tanga
ostafrikanischen Boden zu betreten. Nach wenigen Tagen hatte Karl Knoll es
schon geschafft die richtigen Beamten zu kontaktieren und mit einem
persönlichen Führer in die Usambaraberge aufzubrechen. Seine Erkundungsreise
wäre eine eigene Geschichte. Jedenfalls war der Aufenthalt mit Familie von
1909- ca. 1912) in Ostafrika trotz erfolgreicher Farmertätigkeit kurz. Gründe
war der Verlust des Sohnes Berthold
(1910) und weil Ehefrau Lydia so stark an Malaria litt dass sie gezwungen waren
nach Palästina zurückzukehren. Weil Karl
Knoll mehrere Sprachen perfekt sprach, u.a. Arabisch, zog die Familie nach Aleppo/ Syrien und Karl
wurde kaufmännischer Angestellter und Dolmetscher beim Bau der Bagdadbahn. 1977
schrieb seine jüngste Tochter Helene Kübler geb. Knoll (1914 in Aleppo/Syrien-
2008 in Bayswater, Victoria AUS) einen Brief an
Friedrich Künstner, kurz vor dessen Tod. Sie erwähnt im Brief ihre im 2.
Weltkrieg gefallenen Brüder Erich ( 1911 in Arusha/ Tanganyika heute Tansania
– 1942 in Rostow/ Russland) und Oswald ( 1912 in Aleppo – 1944 in Tscherkassy /Ukraine). Ein Sohn Kurt verstarb ebenfalls früh (
1909 Arusha – 1917 Wilhelma/ Palästina), er
wurde unter Sand verschüttet. Am 4. 8. 1914 wurde Karl Knoll eingezogen und die
Familie lebte nach dem Wegzug von Aleppo
dann in Wilhelma/ Palästina bei Heinrich Sawatzky,
dem Bruder der Frau. Nach der Besetzung von Palästina durch die Engländer 1917 waren die Templer in Heluan
bei Kairo interniert bevor sie nach Deutschland ausreisen konnten. Am Ende des
1. Weltkrieges lebte Karl Knoll in Ludwigsburg wo sein Bataillon stationiert
war und deshalb zog die Familie von Heluan nach. Von
1921- 1929 wohnte die Familie in Ludwigsburg, bevor sie zurück nach Palästina
zogen. Tochter Erna Sofie (1906 -1935) wurde in Markgröningen als Stipendiatin
zur Lehrerin ausgebildet, sie verunglückte tödlich durch einen explodierenden
Spirituskocher. Karl Knoll nennt zur
Rückkehr nach Palästina in einem Brief von 1938 an Bürgermeister Haspel
wirtschaftliche Gründe, wobei schon 1938 drei seiner Kinder in Stuttgart lebten
und Arbeit gefunden hatten. Karl und
Lydia Knoll zogen nach Jaffa/ Tel Aviv wo Karl Bankangestellter war und das Ehepaar sich
ein Haus bauten. Während des 2. Weltkriegs (1941 und 1942) wurden die Templer von den Engländern
deportiert und in Australien interniert;
Karl und Lydia Knoll sind in der Liste der 2. Gruppe im November 1942
verzeichnet. Die Mehrheit der Templer blieb nach dem Krieg in Australien, den
kleineren Teil zog es zurück nach Deutschland. Karl Knoll kehrte 1947 nach Württemberg zurück. 1952
kaufte Karl Knoll einen Bauernhof in Hengstfeld bei Crailsheim, den er mit
Schwiegersohn Erwin Häring
bewirtschaftete und wo er 1956 verstarb. Seine Frau Lydia war schon 1954 an Krebs
verstorben. Seine Enkelin von der
ältesten Tochter Rosa Häring und auch eine Urenkelin wohnen in
Gerabronn/ Hohenlohe und zahlreiche Nachkommen von der Tochter Helene Kübler
leben in Australien.
Der jüngere Bruder von
Karl Knoll war Immanuel Jacob Knoll
(1.10 1881 / Sarona – 8.3. 1947 in Wilhelma/Palästina). Er wurde in Nagold am
Lehrerseminar ausgebildet und war seit 1902 Lehrer in der Templerschule in
Sarona. Er heiratete Berta Marie Venus (18.10. 1888/ Sarona – 28.5.1981 in Bayswater, Victoria, Australien). Ihr Bruder Otto hatte die
erste Tischlerwerkstatt in Sarona. Während des 2.Weltkrieges war das Ehepaar
zuerst im Camp IV in Sarona interniert
und wurden dann nach Camp V in Wilhelma/
Palästina verschickt wo der nierenkranke Immanuel Knoll 1947 verstarb. 1946
hatte das Ehepaar noch einen Antrag an die
britische Mandatsverwaltung gerichtet um die Staatsbürgerschaft von
Palästina zu erlangen, der abgelehnt wurde. Sohn Edgar Knoll (1910-1967 Box
Hill Victoria) der in Deutschland zum Uhrmacher ausgebildet wurde hatte im Haus
der Eltern in Sarona einen Uhrmacher und Juwelierladen. Er war schon 1941 nach Australien deportiert worden.
Tochter Meta (1909-2010) hatte 1937 in Ludwigsburg
einen Richard Steegmaier geheiratet und es gibt
zahlreiche Nachkommen. Über Sohn Werner
Knoll (* 1915) ist wenig bekannt, er lebte nach dem Krieg in Köln.
Wie beschrieben waren die
direkten Nachbarn (gegenüber) der Knolls in Sarona in der Christophstraße die
Familie Johann Gottfried Pflugfelder (22.1.1833- 14.10.1873, Sarona) die schon seit 1871 als erste Siedler in
Sarona lebte. Die Ehefrau war Magdalene Christine
Roßnagel (1.3.1841-22.7.1913). Sie war die Nichte von Anna Catharina Knoll
geb. Rossnagel, der Frau des Gemeinde- Ältesten Jakob Friedrich Knoll. Mit
ausgereist waren Sohn Philipp Imanuel Pflugfelder (12.7.1868-
7.12.1876 Sarona) und der Sohn Gotthilf Christian
Pflugfelder (30.8.1869 Mö- 13.5.1938 Tübingen). Die
Nachbarschaft war wohl gewählt. Wie der HVM durch Recherchen im Gemeindearchiv
herausgefunden hat, war die Familie Pflugfelder recht vermögend geworden vor
allem durch einen lukrativen Hausverkauf, der den Kapitaleinsatz für den Ankauf
in 3 Jahren nahezu verdoppelte. Die finanziellen Startbedingungen für die neue
Existenz in Sarona waren in 1871 also exzellent. Gottfried Pflugfelder zog bei
der Ankunft und Gründung von Sarona 1871
das Los Nr.18 für ein Grundstück mit 25 ar. Voraussetzung
war, dass er genug Mittel besaß um ein Haus und eine Scheune zu bauen, um zusätzliches
Ackerland zu erwerben und noch mehrere Jahre von den Ersparnissen leben konnte.
Ein Budget von wenigstens 5000 Francs galt als erforderlich, das waren in etwa
5000 Gulden. Das Gebiet in Sarona erwies sich bald jedoch als malariaverseucht,
was vielen Siedlern das Leben kostete und sowohl der in Sarona geborene Sohn
Jonathan ( Nov.1871- 29.6.1872) als auch
der Familienvater Gottfried Pflugfelder (1873) und wahrscheinlich auch Sohn
Philipp erst achtjährig dürften deswegen so plötzlich verstorben sein. Auch der
ältere Bruder Johann Georg Pfl. (24.3.1826-
27.6.1876, Sarona) von Gottfried Pflugfelder verstarb plötzlich, er hatte 1856
nach Hirschfelden bei Schwäbisch Hall geheiratet,
seine Witwe emigrierte später mit den Söhnen nach Philadelphia USA. Erst durch
Drainage und Anpflanzung von Eukalyptusbäumen
verschwand die Malaria als Todesursache Nr.1. Man kann annehmen, dass
die beiden Möglinger Familien sich tatkräftig in der Landwirtschaft
unterstützten vor allem auch weil die Familie Knoll finanziell minderbemittelt
war (Archivrecherche). Das Haus von Christian Pflugfelder steht noch heute in
Sarona und ist ein Museum, weil Christian in Asperg in der Ölmühle das Handwerk
Ölmüller gelernt hatte und erste moderne Ölmühle für Sesam und Oliven in der
ganzen Gegend errichtete. Erst nach dem Tod der Mutter (1913) konnte Christian Pflugfelder (mit 44 Jahren)
zum ersten Mal heiraten. Seine Frau
Maria Martha Wohlfahrt, die er in Murrhardt geheiratet hatte, starb 1925
in Sarona, seine 2. Frau Christiane Weiss aus Sarona (1891 Sarona -1960 Tailfingen)
die er 1927 heiratete überlebte ihn, sie sollte laut umfangreich überliefertem Aktenmaterial (vorhanden im israelischen Staatsarchiv) ihre
Nachbarn Immanuel und Edgar Knoll als Vormund bekommen, was sie jedoch vehement
ablehnte. Das beachtliche Vermögen erbte nach ihrem Tod die Rossnagel Verwandtschaft
von der mütterlichen Seite ihres Mannes.
Mit der Familie Gottfried
Pflugfelder zog 1871 auch das aus ärmlichen Verhältnissen stammende Geschwisterpaar Johannes und Rosine Ziegler (geb. 18.5.1841)
die durch den frühen Tod der Eltern bis zur Volljährigkeit unter Pflegschaft
gestanden hatten mit nach Palästina ,wo Johannes Ziegler (18.2.1839 – 24.11
1909) in Haifa ein Fuhrgeschäft eröffnete. Dies
damals im Heiligen Land mit sehr wenigen befahrbaren Straßen und
zahlreichen Pilgern die gezwungen waren
die Stätten mit Reittieren zu erkunden ein echte Start-up Branche. Über seine
Schwester Rosine gibt es kaum Zeugnisse, sie hatte in 1. Ehe 1864 nach
Leinfelden geheiratet und in 2. Ehe einen Johann Georg Bock, wohl schon in
Palästina. Über Johannes Ziegler ist auf
seinem auf dem Templerfriedhof in Haifa/ Israel
hoch heute erhaltenen Grabstein zu lesen, dass er in Möglingen bei
Ludwigsburg geboren wurde. Auch das Grab seiner in Möglingen geborenen Ehefrau
Johanna geb. Hartmann ( 19.12.1835- 10.1. 1934), die
er 1876 in Haifa heiratete (sie war 1874 dorthin ausgewandert) ist 2021 noch in Haifa erhalten. Ihre Tochter
Karoline (28.9. 1877 in Haifa – 1.10.1942 in Bethlehem/ Galiläa) heiratete 1910 einen Jakob Immanuel Katz
(1871 in Haifa- 1954 Altensteig/Württ) dessen Vater
Jakob stammte aus Altensteig, seine Mutter Katrine
war eine geb. Rothacker aus Schwieberdingen ( laut
erhaltenen Grabsteinen in Haifa). Nachkommen leben in Altensteig.
Die letzten Auswanderer
nach Palästina war 1906 die Witwe des Jacob Philipp Reichert (4.12.1841-23.7.1906),
der schon 1861 die Erklärung einiger
Möglinger Familien zum Austritt aus der Landeskirche mitverfasst hatte und kurz
vor seinem Tod noch das Reisegeld bei der Tempelgesellschaft eingezahlt hatte.
Mit aus der Kirchgasse zogen mit der Witwe Johanna geb. Giek (23.2.1835-
16.1.1912 in Wilhelma/ Palästina) ihr Sohn Gottlob Jakob R.
(25.11.1875-2.6.1949 Australien), der Sohn Paul Friedrich Reichert
(6.6.1881 – 21.10.1946 Wilhelma) folgte 1907. 1909 verzichteten sie auf das
Möglinger Bürgerrecht. Ein wesentlicher Reisegrund war auch die 1902 gegründete
Kolonie Wilhelma in der Nähe von Jaffa und die mit 802 ha Gelände ausreichend
Gelegenheit bot Land für die Landwirtschaft zu erwerben. Jedoch kostete ein Ackerlos 25000 Mark. Gottlob heiratete 1907 die in Jaffa geborene Karoline Hahn (26.3.1877-8.3.1947).
Sohn Gustav (1908-1994) wurde im 2. Weltkrieg nach Australien deportiert, er
heiratete 1947 in Melbourne Elfriede Ruff aus Tiberias (1916-2009), ihre
Nachkommen sind 2 Söhne und 4 Enkel. Sohn Gottlob (1911-1944) hatte eine hohe
Funktion in der Hitlerjugend von Palästina.
Sohn Helmut (1915-1988) lebte in Sarstedt, seine Nachkommen sind 2
Töchter und Enkel. Tochter Helene (1914-2000, Bayswater)
blieb ledig und kinderlos. Paul Reichert (1881-1946) heiratete 1910 Gottliebin
Johanna Scheerle (1883-1952, Hawthorn)
aus Hohenhaslach. Dessen Sohn Paul Hugo R. (
1912-1994 Hawthorn) der 1944 in Wilhelma heiratete, zog erst spät nach
Australien, die Tochter Helga wurde noch im Dezember 1947 in Jaffa geboren. Dessen Bruder Hugo (1914-1985, Löchgau) ist
noch manchem Möglinger bekannt. Über Bruder Willi Jacob (1921-2008, Melbourne)
und Schwester Elfriede (1918-1993) ist nichts weiteres
bekannt. Die Kolonie Wilhelma (unweit des heutigen Flughafens Ben Gurion) war Anfeindungen der benachbarten arabischen
Dörfler ausgesetzt und schon 1909 kann es zu Zwischenfällen. Was die beiden
Reichert Brüder Gottlob und Paul anbauten ist nicht bekannt, ob im Ackerbau,
Wein und Obstbau oder aber eher
Milchwirtschaft betrieben die in Wilhelma verbreitet war, wird noch zu erkunden
sein, jedenfalls sind ihre Grundstücke auf dem Plan von 1938 verzeichnet.
Nachwort: Die Nachkommen der Möglinger Templerfamilien leben heute
in Australien und Deutschland und sind
stolz auf die Leistungen ihrer Vorfahren und erinnern sich an gute wie an
schwierige Zeiten. Die Aufbauarbeit der Templer wird heute von israelischer
Seite gewürdigt. Lange bevor es Kibbuze gab waren württembergische Siedler noch heute
anerkannte Pioniere in der Landwirtschaft und Infrastrukturentwicklung
des Landes , erste bedeutende
Orangenveredlung (Jaffa - Orangen) und deren Export; die erfolgreiche Sumpftrockenlegung durch Anpflanzen von Eukalyptusbäumen, Einführung
von Weinbau, Intensivierung der Milchwirtschaft und der Gründung der ersten Banken in
Palästina, die damals eine sehr rückständige osmanische Provinz war. Die
erfolgreichen landwirtschaftlichen und industriellen Innovationen wurden von
Juden und Arabern gerne übernommen. Lange Zeit waren die Templerhäuser Amtssitz
des israelischen Premierministers und anderer staatlichen und
militärischen Stellen heute ist hier die
Ausgangsmeile entstanden. Noch heute ist die Siedlung Sarona ein Stadtteil von Tel Aviv und die vielen erhaltenen Häuser der
Templer stehen unter Denkmalschutz.
Rolf Reichert